BUNDjugend Baden-Württemberg  

Ein Besuch bei Coox&Candy – Ein veganes Restaurant in Stuttgart

Das Coox und Candy ist ein veganes Restaurant in Stuttgart Bad Cannstatt. Kathrin Friedrich ist Mitbetreiberin und wir haben sie für euch mit lauter spannenden Fragen gelöchert…

Warum haben Sie sich für ein veganes Restaurant entschlossen? Leben Sie selbst vegan? Haben Sie eine Marktlücke gesehen?

Ich selbst lebe seit sechs Jahren vegan, meine beiden Kollegen mit denen ich das Coox gegründet habe, schon seit über zehn Jahren. Als Veganer – oder selbst als Vegetarier – ist es in Stuttgart nicht leicht, lecker und mit großer Auswahl essen zu gehen. Anders sieht es schon in München oder Berlin aus: Dort haben in den letzten Jahren einige vegetarisch-vegane Restaurants erfolgreich eröffnet! Schließlich standen wir alle drei vor allgemeinen beruflichen Veränderungen, so kam es, dass wir mit der Idee liebäugelten gemeinsam ein veganes Restaurant in Stuttgart zu eröffnen. Und es wurde Wirklichkeit…

Was bedeutet Ihre Philosophie für Ihre MitarbeiterInnen – müssen sie vegetarisch oder gar vegan leben?

Tatsächlich sind fast alle Veganer und der Rest Vegetarier, doch nicht von Anfang an. Es ist keineswegs eine Voraussetzung Veganer oder Vegetarier zu sein, um bei uns zu arbeiten. Aber natürlich beeinflusst unsere Philosophie die Leute. Wir essen hier gemeinsam, man spricht über die Gründe aus denen man vegan lebt und vor allem sieht man deutlich, dass vegan zu leben keineswegs Verzicht bedeutet. Ach, sogar unsere Reinigungskraft und der Steuerberater sind zufällig Vegetarier. 😉

War der Standort Ihres Lokals eine bewusste Entscheidung?

Wir haben uns bewusst für Stuttgart entschieden, da es hier durchaus Nachfrage gibt, aber kein entsprechendes Angebot vorhanden war. Es gab in Stuttgart eigentlich schon eine nennenswerte vegane Szene, aber eben keine Restaurants. Bad Cannstatt selbst war dann eher ein Zufall. Stadtmitte wäre toll gewesen, jedoch fanden wir kein passendes und vor allem bezahlbares Objekt. Und plötzlich stand dieses nette Haus vor uns. Ein schönes altes Fachwerkhaus, denkmalgeschützt, mitten in der Canstatter Altstadt, in der man sich auch im Sommer gerne einmal raus setzt – also ideal! Unseren Gästen ist es zum Glück egal, ob sie vom Hauptbahnhof aus eine Haltestelle weiter fahren oder nicht. Wer im Stuttgarter Raum vegetarisch oder vegan Essen gehen will, der kommt zu uns. Mittlerweile ist das Haus für die Resonanz und den Ansturm unserer Gäste aber fast schon etwas zu klein.

Wie sehen denn die Besucher des Coox & Candy aus? Gibt es eine Alterstendenz?

Unsere Besucher sind sehr vielfältig und es unterscheidet sich auch nach Tageszeit. Mittags essen hier hauptsächlich Banker und Versicherungsberater. Menschen im Anzug, die hier in der Nähe arbeiten und etwas anderes als Döner und schwäbische Hausmannskost zu Mittag essen möchten. Abends dagegen ist unsere Zielgruppe bunt durchmischt, von älteren Ehepaaren über junge Familien bis hin zu Studenten und den etwas alternativeren Szene-Menschen. Die Vielfältigkeit unserer Gäste liegt, denke ich, auch an unserem Angebot zur Hundemitnahme und der Kinderspielecke… Insgesamt kann man aber wohl sagen, dass der Altersdurchschnitt bei etwa 40 Jahren liegt. Wir sind ein Restaurant in mittlerer Preislage und ältere Leute können es sich einfach eher leisten Essen zu gehen.

Woher stammen Ihre Rezepte? Sind es alles Eigen­kreationen?

Da wir alle drei schon ziemlich lange vegan leben, besitzen wir natürlich eine Unmenge an Kochbüchern und wurden dadurch auch inspiriert. Unsere Speisekarte ist aber selbst konzipiert. Dazu kommt, dass die wenigsten Rezepte schriftlich festgehalten sind – viele Gerichte entstehen aus dem Bauch heraus und ohne genaues Abwiegen der Zutaten.

Sie selbst kochen wahrscheinlich sehr gerne?

Eigentlich schon! Leider komme ich nur noch sehr selten dazu. Mittlerweile habe ich einfach mehr hier im Servicebereich zu tun. Dafür kochen meine beiden Kollegen umso mehr.

Verwenden Sie auch Bio- und regionale Produkte?

Auch, aber nicht nur. Wir betreiben sozusagen ein Mischkonzept. Unsere Getränkekarte besteht fast nur aus Biogetränken, welche regional oder fair-trade gehandelt sind, wie Kaffee, Tee, Wein, Bier, Limonade… Unsere Sojaprodukte sind ebenfalls bio, genauso wie die meisten außergewöhnlicheren Dinge. So etwas wie Nudeln und Gemüse stammen dagegen meist aus konventionellem Anbau. Außerdem gibt es auch keine guten veganen Käse-Produkte, die biozertifiziert sind und aus Deutschland kommen. Bio-Lebensmittel sind eine feine Sache, aber wir haben in der Philosophie des Coox & Candy noch einen anderen Leitsatz, den wir berücksichtigen möchten. Wir wollen zeigen, dass veganes Essen nicht zwangsläufig teuer sein muss und es sich jeder leisten kann auf Tierprodukte zu verzichten. Wir möchten keine Speisekarte, bei der es kein Gericht unter 10 Euro gibt.

Wie begründet sich Ihre Priorität zu veganen Produkten? Wäre Bio- und regionaler Käse vielleicht nicht sinnvoller als konventioneller Analogkäse, der importiert werden muss?

Das ist eine interessante Frage. Erstmal müsste man klären, welche der beiden Varianten denn wirklich die schlechtere Klimabilanz hat. Ich könnte mir nämlich gut vorstellen, dass dies nicht zwangsläufig das vegane Käseprodukt ist. Gerade bei Milchprodukten kann die Ökobilanz sehr schlecht ausfallen. Fast drei Viertel der Emissionen der Landwirtschaft gehen auf das Konto der Tierhaltung und hierbei deutlich mehr als die Hälfte auf die Rindfleisch- und Milchproduktion. Außerdem sind gerade Kühe für einen nicht unerheblichen CO2-Ausstoß verantwortlich. Hinzu kommt Anbau und Transport von Futtermitteln und der damit einhergehende Verbrauch von Land und Wasser. Natürlich ist die Klimabilanz ein wichtiger Punkt, denn gerade die vegane Ernährung minimiert den ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu anderen Ernährungsformen drastisch. Aber für uns kommen noch andere Gründe hinzu, die im Zweifelsfall das Klima-Argument übertreffen: Wir lehnen Nutztierhaltung aus ethischen und moralischen Gründen grundsätzlich ab.

Warum wurden Sie selbst Veganerin?

Als ich Vegetarierin wurde, gab es einen konkreten Anlass. Ich sah zu wie ein Tier geschlachtet wurde. Danach wollte ich kein Fleisch mehr essen. Der Schritt zum Veganismus kam eher nach und nach. Ich habe als Jugendliche eher durch Zufall etwas über Leute gelesen, die zudem auf Milch und Eier verzichten. Das hat meine Neugier geweckt und ich recherchierte, warum die Leute das machten. Mir wurde erst nach und nach klar, welche Konsequenzen damit verbunden sind, wenn wir tierische Produkte konsumieren. Nur damit eine Kuh Milch gibt, sorgt man dafür, dass sie ein Kalb bekommt, welches man ihr dann sofort wieder wegnimmt. Ich bekam mit, dass man männliche Küken tötet, da sie für die Eierproduktion nicht nötig sind. Und dann gibt es ja ständig Skandale, die mit der Nutztierhaltung zu tun haben… Als ich aus meinem Elternhaus hierher in die Stadt gezogen bin war es einfacher selbst zu entscheiden, was man isst und kauft. Und natürlich traf ich in der Stadt leichter Gleichgesinnte als in meinem Heimatort, welcher eher ländlich geprägt ist.

Wie hat das Ihre Familie angenommen?

Sehr schlecht. Ich wurde mit 13 Vegetarierin, versuchte mit 16 erstmals zu Hause vegan zu leben. Meine Familie ist aber eher ländlich geprägt, die Großeltern hatten noch einen typischen Bauernhof mit Anbindehaltung & Co. Meine Beweggründe wurden nicht verstanden, ich solle mich nicht so anstellen. Mittlerweile akzeptiert meine Familie meinen Lebensstil. Meine Mutter kann inzwischen vegane Torten backen und auch ganz gut vegan kochen. Mit der Zeit sucht man sich natürlich auch sein passendes Umfeld. Mein Freund lebt ebenfalls vegan und ich habe viele vegane Freunde. Es ist schön, sich untereinander auszutauschen oder beim gemeinsamen Besuch im Restaurant nicht die Einzige zu sein, die den Kellner mit Fragen zu Inhaltsstoffen der Gerichte löchert (lacht).

Zum Abschluss noch eine Frage, wo sehen Sie das Coox & Candy in zehn Jahren?

Bestenfalls haben wir das Coox & Candy soweit etabliert, dass wir auch in anderen Städten Filialen eröffnet haben. Ich würde mir wünschen, dass noch viel mehr Menschen aus Respekt vor Tieren und Umwelt auf Fleisch verzichten und immer häufiger vegan essen – und das am besten natürlich bei uns. 🙂

Das Interview führte Elisabeth Perzl, FÖJlerin bei der BUNDjugend Baden-Württemberg

Anreise und weitere Infos findest du unter: www.coox-candy.de

Die aktuelle kriZ Ausgabe 1/2012 findest du zum Download hier.